Niedersächsische Landesregierung schießt aus dem Hinterhalt gegen Jugendverband
„Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unseres Landes“, „Kinder und Jugendliche müssen gefördert werden“, „Medienerziehung wichtiges Ziel“ oder auch „Jugendliche so brutal wie nie zuvor“.
So oder ähnlich sind die Landesverantwortlichen zu vernehmen, titeln Tageszeitungen Land auf, Land ab immer dann, wenn Jugendliche entweder etwas Lobenswertes fabriziert haben, oder ein als „jugendspezifisch“ deklariertes Problem auftaucht.
Der tägliche Kampf spielt sich hingegen auf einer ganz anderen Ebene ab:
Nach der Abschaffung des Landesjugendamtes, der Einführung des „G8“ und dem Rückzug aus der Mädchenarbeit zeigt sich die tatsächliche jugendpolitische Richtung der Landesregierung nun auch anhand eines unserer Projekte:
Die „Mobile Medienarbeit“ der SJD-Falken in Nordniedersachsen beantragte im September letzten Jahres auf Vorschlag des Lüneburger Kriminalpräventionsrates eine Projekteinheit zum Thema Handygewalt. Dem „Happy Slapping“ (fröhliches Dreinschlagen) genannten Phänomen, bei dem Jugendliche mit ihrem Handy kleine, gewaltverherrlichende, erniedrigende Videoclips drehen und diese dann gegebenenfalls auch noch ins Internet stellen, sollte mit diesem Präventionsprojekt medienpädagogisch begegnet werden. Prädestiniert für das Projekt waren die Medienpädagogen der Falken auch deshalb, weil sie zu diesem Thema auf anderer Ebene bereits intensiv mit den JugendschützerInnen in Nordniedersachsen zusammenarbeiteten und eine Kampagne namens „CleanScreen – Mein Handy bleibt sauber!“ aus der Taufe gehoben hatten.
Im Rahmen dieser Kampagne sind eine Vielzahl kleiner „Anti-Happy-Slapping“-Clips entstanden, die mittlerweile auch unter der Internet-Adresse „www.cleanscreen.de“ abrufbar sind.
Der Antrag für eine ganz neue Herangehensweise zum gleichen Thema bezog sich nun auf Jugendliche ohne eine Anbindung an eine Schule oder eine Jugendinstitution, die direkt an ihren Treffpunkten aufgesucht werden sollten. Leider wurde der Startzeitpunkt der beantragten Maßnahme ein ums andere Mal vom Landespräventionsrat (LPR) verzögert und letztlich zwei Tage vor beantragtem Maßnahmebeginn aus formalen Gründen abgelehnt.
Die Falken reagierten mit einem informellen Widerspruch –formal ist dieser als Rechtsmittel bei Landesbescheiden nicht mehr zulässig– erhielten jedoch nur die pauschale Antwort, dass sich an der Haltung des LPR nichts verändern würde.
Wie wir erfuhren, war die LPR – Geschäftsführung schon zwei Wochen vor dem Ablehnungsbescheid diesbezüglich in heller Aufregung: Sollte hier etwa politisch verhindert werden, dass der „linke Jugendverband“ eine Förderung aus Landesmitteln erhält?
Dieser Eindruck zwängt sich auf: Nachdem die Falken den Antrag gestellt hatten, wurde der Ansatz, die Umsetzung und die Transparenz in allen Teilen des Antrages sehr gelobt. Der CDU-Landtagsabgeordnete Bernd Althusmann sagte schon im Januar, im Rahmen der Lüneburger Bildungsdemos, dass er ganz fest davon ausgehe, dass dem Antrag stattgegeben würde. Eine mündliche Zusage gab zudem der LPR noch im März. Im April muss irgendetwas passiert sein, was sich unserer Kenntnis entzieht. Der Landespräventionsrat zeigte sich plötzlich ablehnend, telefonische Anfragen wurden nicht mehr beantwortet und der Geschäftsführer des Landespräventionsrates lässt sich telefonisch bis zum heutigen Tage verleugnen.
In einer Zeit, in der Förderbedingungen von Jugendverbänden derart zusammengeschmolzen werden, dass kein Jugendverband mehr seine originären Aufgaben wahrnehmen kann, Infrastruktur für Jugendliche kommunalisiert wird, Jugendhilfe-Standards mittels Föderalismus-Reform ausgehebelt werden und Jugendliche einem immer größeren Druck in den Schulen schutzlos ausgeliefert sind, erscheint ein derartiges Prozedere unbegreiflich. Freizeit und ehrenamtliches Engagement werden durch die eingeschränkten Arbeitsbedingungen der Jugendarbeit und durch die veränderte Lebensrealität der Jugendlichen stark eingegrenzt und in ihrer Qualität beschnitten.
Eine Projektförderung des LPR sollte Stellen schaffen oder sichern. Nun könnte diese Entscheidung Stellen kosten- Keine gute Bilanz für die „Zukunft unseres Landes“.
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